MDR-Praxis, Teil IV: Schließen der GAPs in Ihrer Technischen Dokumentation

10.09.2019
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Herzlich willkommen zum vierten Teil unserer MDR-Praxisreihe - ich hoffe, Sie hatten einen schönen Sommer! Im letzten Artikel vor der Sommerpause haben wir für die Bestandsprodukte erarbeitet, in welcher Form eine Lückenanalyse durchgeführt werden kann (die Artikel 1 bis 3 finden Sie auch hier zum Download zusammengefasst). Jetzt ist klar, für welche Anforderungen Sie noch Nachweise generieren müssen.

Und so geht es weiter: Im Hinblick auf Ihre Projektplanung ist es überaus sinnvoll und notwendig, dass Sie als nächstes die einzelnen Aufgaben genauer in Augenschein nehmen und sich dabei überlegen, WIE Sie die jeweiligen Nachweise erbringen können: Fehlen Verifikationsberichte? Und wenn ja: Was gilt es hierfür zu tun? Gibt es inzwischen neuere Ausgaben zu angewandten Normen? Welchen Einfluss hat das wiederum auf Ihre Nachweiserbringung?

Ein wichtiger Punkt dabei sind Designchanges: Ich erlebe immer wieder, dass am Produkt seit Markteinführung notwendige Änderungen durchgeführt wurden, diese zwar auch bewertet wurden, aber es versäumt wurde, erforderliche Prüfungen zum Nachweis der Grundlegenden Anforderungen zu wiederholen, z. B. hinsichtlich der EMV. Dann ist die Überraschung groß, wenn das Produkt „plötzlich“ einen Test nicht mehr besteht, den es vor Jahren noch bestanden hat.

Entwickeln Sie eine wirkungsvolle Strategie zur Überarbeitung der Technischen Dokumentation


Wie schaffen Sie es also, die Überarbeitung Ihrer Technischen Dokumentation systematisch umzusetzen? Erarbeiten Sie sich mithilfe der folgenden Schritte einen effektiven Vorgehensplan für Ihre MDR-Anpassung:

  • Verschaffen Sie sich einen Überblick über alle zu erledigenden Aufgaben. Die Komplexität der MDR-Anpassung Ihrer Technischen Dokumentation ist enorm, das Vorgehen ist ähnlich wie in der Entwicklung.
  • Bedenken Sie, dass manche Aufgaben längere Bearbeitungszeiten haben. Beginnen Sie also früh mit den Aufgaben, die viel Zeit in Anspruch nehmen, z. B. der Überarbeitung des Risikomanagements. Kümmern Sie sich rechtzeitig um etwaige Testplanungen: Müssen Tests nachgezogen werden? Wenn ja, stehen ausreichend Prüfmuster zur Verfügung? Haben Sie ausreichend klinische Daten? Ein weiterer Stressfaktor für Ihren Zeitplan: Tests können lange dauern und u. U. benötigen viele zeitgleich einen Test, was zu Warteschleifen in Prüflaboren führt; sprechen Sie Timeslots rechtzeitig ab.
  • Priorisieren Sie Ihre Aufgaben (auch und vor allem bezüglich der zu erwartenden Bearbeitungsdauer).
  • Erstellen Sie einen realistischen Zeitplan und arbeiten Sie Ihre Aufgaben gemäß dieses Zeitplans ab.

Weil die Zeit bis Mai 2020 sehr knapp ist, ist bei der MDR-Anpassung Ihres Produkts höchste Effizienz gefragt: Der Faktor Zeit ist von enormer Bedeutung (Sie merken das auch daran, wie ausdauernd ich auf diesem Thema herumreite); Ihre Planung sollte alle „Zeitschlucker“ berücksichtigen und deren Umsetzung möglichst ohne unnötige und untätige Wartezeiten erfolgen. Konkret erfordert das von Ihnen eine extrem umsichtige Vorgehensweise:

Checkliste zur Entwicklung einer effizienten Strategie:


1. Sind Prüfnachweise erforderlich?

2. Haben Sie alle Verifizierungsberichte, die Sie benötigen?

3. Welche Normen haben in den letzten Jahren eine neue Ausgabe bekommen, mit ggf. erweiterten Anforderungen?
  • Viele Produkteigenschaften, die in Anhang I gefordert sind, werden durch Prüfnachweise/ Testreports belegt.
  • Brauchen Sie Nachweise zur Sicherheit für medizinische elektrische Geräte durch die DIN EN 60601-1 und ggf. weitere Ergänzungsnormen?
  • Benötigen Sie Nachweise zur Biologischen Sicherheit durch Anwendung der ISO 10993-1:2018 und weitere Normen der Normenfamilie?
Kann Ihr Produkt alle Anforderungen erfüllen? Immerhin wurde es nicht unter Einbeziehung der heute vorliegenden normativen Anforderungen entwickelt!

4. Werden noch Validierungsberichte benötigt, wie bspw.:
  • Nachweise zu Sterilisationsvalidierungen?
  • die Validierung der Gebrauchstauglichkeit?
Beachten Sie auch hier: Manche Prüfungen benötigen mehrere Wochen!

5. Risikomanagement
  • Aktualisieren Sie zeitnah Ihre Risikoanalyse.
  • Haben Sie alle Gefährdungssituationen betrachtet und bewertet?
  • Welche Nachweise zur Umsetzung von Maßnahmen benötigen Sie ggf. noch?

6. Usability
Die MDR stellt gezielt Anforderungen im Hinblick auf die Anwender des Produkts und auf dessen Gebrauchstauglichkeit. Die Bedeutung der Gebrauchstauglichkeit ist gestiegen, dies zeigt sich vor allem daran, dass Rückmeldungen der Anwender im Rahmen der PMS und PMCF systematisch gesammelt und bewertet werden müssen.
  • Ist die Gebrauchstauglichkeit bereits ausreichend berücksichtigt und dokumentiert?
  • Wurden alle Nutzergruppen betrachtet?
  • Besondere Aufmerksamkeit gilt hier den Produkten, die durch Laien angewendet werden (Anwender = Patient).

7. Input für weitere Dokumente
  • Identifizieren Sie alle weiteren Dokumente, die überarbeitet werden müssen.
  • Inwieweit ist das Thema Labelling relevant?
  • Auch die Gebrauchsanweisung muss überarbeitet werden. Berücksichtigen Sie hierfür die Informationen aus dem Risikomanagement.
  • Beachten Sie, dass Änderungen in einzelnen Dokumenten häufig weitere Änderungen in anderen Dokumenten bedingen.
  • Redundante Informationen bieten viel Potenzial für Fehlerquellen!
  • Mitunter liefern viele verschiedene Abteilungen die Informationen, die Sie brauchen, um sie zu bündeln und zu bearbeiten: Entwicklung, Verifikation, Regulatory Affairs, QM, Marketing... Häufig wird der Zeitaufwand unterschätzt, den es braucht, um alle Informationen zusammenzusuchen, aber auch das Konfliktpotenzial, das aus dieser besonderen Situation erwachsen kann: Kollege A sieht für Ihr Anliegen keine Priorität, Kollege B will Ihnen die benötigten Dokumente (noch) nicht zur Verfügung stellen, weil er weiß, dass sie nicht auf aktuellem Stand sind, so dass er „da erst noch mal selbst dran will“ etc. Eine Erfahrung, die mein Team und ich immer wieder machen: Die MDR-Anpassung kann nur gelingen, wenn alle an einem Strang ziehen. Für eine gelungene Kommunikation und Zusammenarbeit braucht es mitunter viel Einfühlungsvermögen für die Beweggründe Ihrer KollegInnen!
  • Grundsätzlich gilt:
    Alle Anforderungen aus Anhang I müssen nachgewiesen werden.
    Alle Inhalte aus Anhang II müssen Bestandteil der Technischen Dokumentation sein.

Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei der Bearbeitung der Dokumente und beim Schließen aller GAPs!

Nächstes Mal erhalten Sie dann einen inhaltlichen Überblick und einen fachlichen Input zu den Themenbereichen wie Klassifizierung und regulatorische Dokumente, Spezifikationen, Risikomanagement, Usability und Klinische Bewertung; im übernächsten und letzten Teil kümmern wir uns um alles das, was nach Inverkehrbringen neu und zu beachten ist – und damit haben Sie es geschafft!

Bleiben Sie dran – es lohnt sich!
Ihr Metecon Team


Dieser Beitrag stammt ursprünglich von Sonja Bruhn. Fragen zum Artikel oder darüber hinaus beantworten wir Ihnen jederzeit gern.
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