Anwenderbefragungen als PMS-/PMCF-Aktivität: 5 Tipps, wie Sie sie richtig einsetzen

26.04.2022
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Die Anforderungen an Überwachung (PMS) und klinische Nachbeobachtung nach dem Inverkehrbringen (PMCF) wurden mit der MDR intensiviert und bringen deshalb auch erhöhte Anforderungen für Sie als Hersteller mit sich. Diese Anforderungen umzusetzen ist auf verschiedenen Wegen möglich; die Anwenderbefragung ist einer davon. Wir können davon ausgehen, dass Anwenderbefragungen künftig eine wichtige Rolle spielen werden, da sie für eine Vielzahl von Produkten eingesetzt und an verschiedene Situationen angepasst werden können; überdies sind sie meist wesentlich schneller bzw. kostengünstiger umsetzbar als eine formale klinische Prüfung. Einige Punkte sollten Sie beachten, wenn Sie eine Anwenderbefragung effizient einsetzen möchten; die Antworten auf die fünf wichtigsten Fragen gibt Ihnen Marie-Laure Castelain, Medical Device Expert Technical Documentation & Clinical Affairs, in diesem Beitrag.

1. Wann ist eine Anwenderbefragung für die Überwachung und/oder für die klinische Nachbeobachtung nach dem Inverkehrbringen geeignet?


Aus praktischer Sicht hängt die Eignung einer Anwenderbefragung vom Produkt (Art und Vermarktungssituation), vom Anwender und von der Zielstellung der Erhebung ab.

Eine klare Ziel- bzw. Fragestellung ist die Grundvoraussetzung für das Design der Anwenderbefragung. Diese sollte gleichzeitig im Zusammenhang zu den PMCF-Zielen stehen, wie sie in der MDR, Annex XIV, Part B, Punkt 6.1 aufgeführt sind. Manchmal wird daraus auch ersichtlich, dass die Fragestellung eher im Rahmen von PMS anstelle von PMCF betrachtet werden sollte, z. B. wenn der Hersteller Verbesserungsmöglichkeiten mittels Rückmeldungen von Anwendern identifizieren möchte.

Außerdem sollte geprüft werden, ob die geplanten zu erhebenden Daten wirklich für eine Anwenderbefragung geeignet sind. Hierbei ist es wichtig, dass die Antworten zu der Fragestellung seitens der Anwender möglichst situativ bzw. spontan gegeben werden können.

Die Erreichbarkeit und Größe der Zielgruppe sollte ebenfalls bedacht werden, um festzustellen, ob eine Anwenderbefragung die richtige Erhebungsmethode ist.

2. Ihr Vorgehen bei der Anwenderbefragung: Welcher Schritt zuerst?


Vor der Erstellung eines Fragebogens muss die Zielpopulation sowie die Hauptfragestellung definiert werden (siehe oben). Nachdem diese Voraussetzungen erfüllt sind, kann die passende Art der Befragung festgelegt werden:
  • Bei einer rein qualitativen Befragung kann die Anzahl der potenziellen Befragten kleiner sein und muss nicht die Gewinnung von statistisch relevanten Aussagen erlauben. Eine qualitative Befragung eignet sich auch dann, wenn nicht genug Vorwissen vorhanden ist, um eine statistische Fallzahlplanung durchzuführen, oder als Vorbereitung für eine quantitative Befragung.
  • Bei einer quantitativen Befragung basiert die statistische Fallzahlplanung auf der Hauptfragestellung, identisch zu klinischen Studien. Neben der Hauptfragestellung ist es auch möglich, sekundäre Fragestellung(en) einzuschließen. Die Erstellung eines Datenanalyseplans vor Beginn der Befragung ist notwendig und ein Zeichen für die wissenschaftliche Validität der Befragung.

Weiterhin sollte die Art der Erhebung auch in den ersten Schritten definiert werden (z. B. per Post, digital, persönlich). Die Größe, die Erreichbarkeit bzw. Verfügbarkeit der Zielpopulation (bzw. deren erwartbare Bereitschaft) sind Faktoren, die die optimale Art der Datenerhebung beeinflussen. Die Art der Datenerhebung beeinflusst auch das Budget der Befragung, z. B. wenn Reisekosten eingeplant werden müssen oder eine kostenpflichtige Software für die Befragung genutzt wird etc.

3. Wie identifizieren Sie relevante Fragen für die Zielstellung?


Oft einfacher gesagt als getan: Die Antworten auf die Fragen sollten die zu erhebenden Daten in eindeutiger Art und Weise und natürlich vollständig liefern, so dass sie abschließend analysiert werden können. Dabei ist weniger oft mehr, d. h. jede gestellte Frage sollte einen Mehrwert für den Zweck der Befragung haben. Es ist außerdem wichtig, dass sowohl die Fragen als auch die Antwortmöglichkeiten an den Zweck bzw. die zu erhebenden Daten angepasst sind.

Befragungen und Fragebögen werden in diversen Bereichen und seit Jahrzehnten eingesetzt. Es gibt daher etablierte Best Practices für eine optimale Formulierung der Fragen und Darstellung der Antwortmöglichkeiten. Diese Best Practices gelten auch bei der Erstellung von Anwenderbefragungen für PMS/PMCF-Zwecke.

Als zentral für eine letztlich erfolgreiche Anwenderbefragung ist dabei die Fähigkeit, sich bei der Formulierung der Fragen wirklich und konkret in die Perspektive der Befragten hineinversetzen zu können, um sowohl die Situation der Befragung als auch Inhalte und Sprache adäquat abbilden zu können.

Neben Kenntnissen dieser Best Practices erfordert die Formulierung der Fragen und Antwortmöglichkeiten deshalb immer ausreichende fachliche Kenntnisse im Bereich des betroffenen Medizinprodukts. Die Homogenität und das Bildungsniveau der Zielpopulation sollten dabei unbedingt mit betrachtet werden.

4. Ist ein Vorversuch für eine Anwenderbefragung notwendig?


Bevor eine Anwenderbefragung durchgeführt wird, sollte es als Standard betrachtet werden, ihre Gebrauchstauglichkeit zu prüfen und die Befragung anhand einer kleinen Gruppe von Personen, die der Zielpopulation angehören, zu testen. Damit können Mängel im Fragebogen identifiziert werden wie z. B. fehlende Antwortkategorien oder missverständliche Fragen.

Der Vorversuch und eine optimierte Gebrauchstauglichkeit tragen zur Erstellung eines validen Fragebogens bei, was wiederum eine erhöhte Antwortquote und Auswertbarkeit unterstützt.

5. Wird die benannte Stelle Ihre Anwenderbefragung und deren Ergebnisse akzeptieren?


Pauschal kann diese Frage natürlich nicht beantwortet werden, da es (bisher) keine regulatorischen Vorgaben gibt; jedoch können wir verschiedene Anhaltspunkte aus diversen jüngeren Bewertungsvorgängen identifizieren:

In der Regel spielt die Verallgemeinbarkeit der Ergebnisse auf die gesamte zu untersuchende Zielpopulation eine entscheidende Rolle. Handelt es sich z. B. um ein chirurgisches Instrument, für welches die Handhabung entscheidend ist und für das es keine Einschränkungen hinsichtlich der Anwender gibt, sollte die Gruppe der Befragten auf jeden Fall Kliniken aller Versorgungsstufen und ggf. Praxen miteinbeziehen.

Bei einer quantitativen Befragung ist es wichtig, dass die Qualität der Daten sowie die wissenschaftliche Validität der Anwenderbefragung nachvollzogen werden kann. Dafür muss u. a. eine geplante und geeignete statistische Analyse der erhobenen Daten durchgeführt werden.

Bei einer qualitativen Befragung wird im Allgemeinen die Aussagekraft der Ergebnisse niedriger sein. Essenziell sind daher die Planung, Nachvollziehbarkeit und die Begründung der verschiedenen Planungsaspekte.

Sie planen eine Anwenderbefragung und möchten Design und geplantes Vorgehen mit uns diskutieren? Schreiben Sie uns oder rufen Sie uns an für einen unverbindlichen Austausch zu Ihrem Thema.

Viel Erfolg bei Ihren Vorhaben und herzliche Grüße
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Marie-Laure Castelain
Marie-Laure Castelain
Medical Device Expert
Clinical Affairs & PMCF
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