In-house IVD im Fokus der MDCG 2023-1

21.02.2023
Textbild von In-house IVD im Fokus der MDCG 2023-1 -EN- Metecon GmbH
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Hält die neue, lang erwartete MDCG Guidance 2023-1, was sie verspricht? Bringt sie tatsächlich Klärung für die praktische Umsetzung des Artikels 5(5) der EU-Verordnung 2017/746 über In-vitro-Diagnostika?

Sogenannte In-house Produkte bzw. In-house IVD sind in medizinischen Laboratorien weit verbreitet und ein wichtiger Bestandteil für die Patientenversorgung. In-house IVD sind von den meisten Anforderungen der IVDR befreit, so heißt es in der neuen MDCG 2023-1. Allerdings müssen sie die Anforderungen von Artikel 5(5) der IVDR erfüllen. Die MDCG Guidance verspricht, eine Anleitung für die Anwendung einiger dieser Regeln zu geben. Geschrieben ist die Guidance speziell für medizinische Fachkräfte und Forscher*innen in Gesundheitseinrichtungen innerhalb der EU*, die die Absicht haben, In-house Produkte zu designen, herzustellen oder zu modifizieren und zu benutzen. Außerdem soll die harmonisierte Anwendung von Artikel 5(5) durch die verschiedenen nationalen Behörden gefördert werden.

*Anbieter von diagnostischen Dienstleistungen, die außerhalb der Union ansässig sind, aber ihre Dienste für Patienten in der Union anbieten, müssen Produkte benutzen, die vollständig konform sind mit der IVDR. Sie profitieren nicht von der Ausnahmeregel von Artikel 5(5).

Welche neuen Infos die MDCG Guidance 2023-1 zum Art. 5(5) bringt, haben wir für Sie in 10 Punkten zusammengefasst:
  1. Generelle Aspekte
  2. Zu Art. 5(5), Satz 1: Mit Ausnahme der einschlägigen grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen gemäß Anhang I gelten die Anforderungen dieser Verordnung nicht für Produkte, die ausschließlich innerhalb von in der Union ansässigen Gesundheitseinrichtungen hergestellt und verwendet werden, sofern alle folgenden Bedingungen erfüllt sind …;
  3. Zu Art. 5(5) a) Die Produkte werden nicht an eine andere rechtlich eigenständige Einrichtung abgegeben;
  4. Zu Art. 5 (5) b) Die Herstellung und die Verwendung der Produkte erfolgen im Rahmen geeigneter Qualitätsmanagementsysteme / c) Das Labor der Gesundheitseinrichtung entspricht der Norm EN ISO 15189 oder gegebenenfalls nationalen Vorschriften einschließlich nationaler Akkreditierungsvorschriften;
  5. Zu Art. 5(5) d) Die Gesundheitseinrichtung liefert in ihrer Dokumentation eine Begründung dafür, dass die spezifischen Erfordernisse der Patientenzielgruppe nicht bzw. nicht auf dem angezeigten Leistungsniveau durch ein gleichartiges auf dem Markt befindliches Produkt befriedigt werden können;
  6. Zu Art. 5(5) e) Die Gesundheitseinrichtung stellt der für sie zuständigen Behörde auf Ersuchen Informationen über die Verwendung der betreffenden Produkte zur Verfügung, die auch eine Begründung für deren Herstellung, Änderung und Verwendung beinhalten;
  7. Zu Art. 5(5) f) Die Gesundheitseinrichtung verfasst eine Erklärung, die sie öffentlich zugänglich macht …;
  8. Zu Art. 5(5) g) Im Zusammenhang mit Produkten, die gemäß Anhang VIII in die Klasse D eingestuft werden, erstellt die Gesundheitseinrichtung Unterlagen, die ein Verständnis der Herstellungsstätte, des Herstellungsverfahrens, der Auslegung und der Leistungsdaten der Produkte einschließlich ihrer Zweckbestimmung ermöglichen und die hinreichend detailliert sind, damit sich die zuständige Behörde vergewissern kann, dass die grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen gemäß Anhang I dieser Verordnung erfüllt sind. Die Mitgliedstaaten können diese Bestimmung auch auf gemäß Anhang VIII in die Klassen A, B oder C eingestufte Produkte anwenden;
  9. Zu Art. 5(5) i) Die Gesundheitseinrichtung begutachtet die Erfahrungen, die aus der klinischen Verwendung der Produkte gewonnen wurden, und ergreift alle erforderlichen Korrekturmaßnahmen.
  10. Zu Art. 5(5) Satz 3: Dieser Absatz gilt nicht für Produkte, die im industriellen Maßstab hergestellt werden.

1 Generelle Aspekte

Auf welche Produkte bezieht sich Artikel 5(5)?

Laut Definition der IVDR handelt es sich bei einem IVD um ein Medizinprodukt, das "… vom Hersteller zur In-vitro-Untersuchung von aus dem menschlichen Körper stammenden Proben, einschließlich Blut- und Gewebespenden, bestimmt ist und ausschließlich oder hauptsächlich dazu dient, Informationen zu einem oder mehreren der folgenden Punkte zu liefern …" (Art. 2(2)).

Die MDCG 2023-01 stellt hierzu klar, dass jedes Produkt oder eine Kombination von Produkten, die unter die IVDR-Definition fallen, entweder
  • ein CE-markiertes IVD,
  • ein In-house IVD nach Art. 5(5),
  • ein Produkt für Leistungsbewertungsstudien oder
  • ein - von der zuständigen Behörde ausnahmsweise erlaubt - von der CE-Markierung abweichendes Produkt sein muss.
Das bedeutet, dass zur Diagnostik von humanen Patientenproben nur CE-markierte IVD und In-house IVD nach Art. 5(5) verwendet werden dürfen (von seltenen Ausnahmen, die mit den zuständigen Behörden abgestimmt werden müssen, abgesehen).

Die Begriffe "research use only" (RUO; nur für Forschungszwecke) und "Off-label use" (Verwendung von Produkten, abweichend ihrer Zweckbestimmung) bezeichnen Testsysteme, die keine Produkte gemäß der IVDR sind und somit nicht für die Diagnostik verwendet werden dürfen.

Sobald die Gesundheitseinrichtung
  • die Zweckbestimmung oder das Design eines CE-markierten Produktes ändert, und dieses Produkt zur Diagnostik einsetzen möchte, fällt es unter Art. 5(5) der IVDR;
  • einem RUO-Produkt eine Zweckbestimmung zuschreibt, wodurch es unter die Definition von IVD fällt, findet Art. 5(5) Anwendung.
In beiden Fällen müssen durch die Gesundheitseinrichtung Maßnahmen ergriffen werden, sodass diese Tests den Anforderungen von Artikel 5(5) entsprechen und zu einem In-house IVD werden. Erst wenn die Gesundheitseinrichtung dokumentiert hat, dass die Anforderungen von Art. 5(5) für einen solchen Test erfüllt sind, darf das Produkt als In-house IVD zur Diagnostik eingesetzt werden.

Die MDCG Guidance zeigt noch weitere allgemeine Beispiele auf, was unter "Herstellung" von In-house IVD durch Gesundheitseinrichtungen zu verstehen ist:
  • Herstellung eines Produktes
    • aus Rohmaterialien,
    • aus Teilen oder Komponenten eines CE-markierten Produktes oder
    • aus einem anderen Produkttyp (z.B. aus einem RUO Assay).
  • Kombination eines Produktes mit einem anderen Produkt, wobei die Kombination ein neues Produkt ergibt.
  • Modifikation eines existierenden Produktes, um ein neues Produkt zu generieren (hierunter fällt z. B. auch die Änderung der Zweckbestimmung, Stichwort "Off-label use").

Keine Produkte im Sinne der IVDR (und die damit auch nicht unter Art. 5(5) fallen) sind Protokolle, die die Herstellung oder Nutzung eines In-house IVD beschreiben, Patientenproben sowie die Ergebnisse eines In-house IVD. Ergebnisse eines In-house IVD müssen in der Gesundheitseinrichtung erfasst werden, in der das In-house IVD hergestellt wurde. Dies schließt nicht die Weitergabe des Ergebnisses an andere Gesundheitseinrichtungen oder Patienten aus. Ebenso dürfen Protokolle und Patientenproben zwischen verschiedenen Gesundheitseinrichtungen ausgetauscht werden.

IVD-Produkte, die nicht unter Art 5(5) fallen und deshalb die vollständige Konformität mit der IVDR benötigen, sind z. B. Selbsttests, die außerhalb der rechtlichen Einheit der Gesundheitseinrichtung angewendet werden.

Aber: Ein In-house hergestellter Selbsttest kann innerhalb der Gesundheitseinrichtung durch Laien verwendet werden. Und In-house Produkte dürfen auch innerhalb der Gesundheitseinrichtung verwendet werden, um Proben zu analysieren, die durch den Patienten selbst gewonnen und in Folge in das Labor geschickt wurden.

2 Zu Art. 5(5), Satz 1: Mit Ausnahme der einschlägigen grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen gemäß Anhang I gelten die Anforderungen dieser Verordnung nicht für Produkte, die ausschließlich innerhalb von in der Union ansässigen Gesundheitseinrichtungen hergestellt und verwendet werden, sofern alle folgenden Bedingungen erfüllt sind …

In-house Produkte müssen den Anhang I der IVDR erfüllen. Die MDCG adressiert wichtige Aspekte hierzu: Besonders betont sie, dass ein Risikomanagementsystem etabliert und ein regelmäßiges Update der Untersuchung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses gemacht werden muss (Kapitel I, Anhang I). Nicht nur Patienten-Risiken, sondern auch Risiken, die den Anwender und Nutzungsfehler betreffen, müssen über den gesamten Lebenszyklus des In-house Produktes betrachtet werden. Das regelmäßige Update des Nutzen-Risiko-Verhältnisses impliziert ebenso das regelmäßige Update der Leistungsbewertung.

Weiterhin stellt die MDCG dar, dass die Anforderungen in Kapitel II zu Design, Herstellung und Leistung auch für In-house Produkte besonders relevant sind - vor allem bei der Nachweisführung, dass kein gleichartiges CE-markiertes Produkt auf dem Markt erhältlich ist. Keine ordentliche (Technische) Dokumentation – kein aussagekräftiger Nachweis.

Nicht alle Anforderungen von Kapitel III sind für In-house Produkte anwendbar. Anwendbar sind die, die für die sichere Nutzung des Produktes relevant sind, sodass das Produkt seine Zweckbestimmung erfüllen kann. Aufgrund dessen nennt die MDCG beispielhaft folgende Dokumente und Informationen, die Sie bereitstellen müssen:
  • Gebrauchsanweisungen und/oder Protokolle,
  • Informationen über Substanzen oder Mischungen, die als gefährlich betrachtet werden können,
  • Haltbarkeits- oder Produktionsdatum des hergestellten Produktes oder der Charge,
  • Lagerungs- und Handhabungsbedingungen und
  • Chargen- oder Seriennummer oder ähnliche Maßnahmen zur Identifikation zum Zwecke der Nachverfolgbarkeit.
Die MDCG 2023-01 sagt nichts zur Kennzeichnung. Wir gehen davon aus, dass in den meisten Fällen eine adäquate Kennzeichnung des Produktes und seiner Komponenten ebenfalls eine Voraussetzung für seine sichere und korrekte Anwendung ist.

FAZIT: Der Nachweis des Annex I für In-house IVD umfasst zunächst genauso viele Anforderungen
wie für CE-markierte IVD. Auch für CE-markierte IVD gelten nicht immer alle Anforderungen. Überprüfen Sie daher immer individuell, welche der Anforderungen für ein bestimmtes Produkt anwendbar sind oder nicht.

Eine gute Dokumentation und eine regelmäßige Aktualisierung des Nachweises der Übereinstimmung Ihres In-house IVD mit dem Anhang I ist unerlässlich. Diese Dokumentation kann von den zuständigen Behörden dazu genutzt werden, die Einhaltung von Art. 5(5) zu überprüfen. Vergessen Sie außerdem nicht, dass genauso wie bei CE-markierten IVD auch bei In-house IVD kritische Produktänderungen bewertet und dokumentiert werden müssen!


3 Zu Art. 5(5) a) Die Produkte werden nicht an eine andere rechtlich eigenständige Einrichtung abgegeben

Als drittes ist die Anforderung zu nennen, dass In-house IVD nicht an andere rechtliche Einheiten abgegeben werden dürfen. Die MDCG nennt Beispiele dafür, was eine rechtliche Einheit sein kann. Die EU-Mitgliedsstaaten haben zum Teil unterschiedlich organisierte Gesundheitssysteme, weshalb es Unterschiede im Konzept der rechtlichen Einheit geben kann. Hier sollen/können die jeweiligen nationalen zuständigen Behörden für Klärung sorgen.

4 Zu Art. 5(5) b) Die Herstellung und die Verwendung der Produkte erfolgen im Rahmen geeigneter Qualitätsmanagementsysteme / c) Das Labor der Gesundheitseinrichtung entspricht der Norm EN ISO 15189 oder gegebenenfalls nationalen Vorschriften einschließlich nationaler Akkreditierungsvorschriften

Hier klärt die MDCG auf, wie die minimalen Anforderungen an ein QMS (Qualitätsmanagementsystem) für In-house IVD aussehen und bezieht sich hierbei auf Art. 10(8) der IVDR. Insbesondere ISO-Standards, v. a. harmonisierten Standards, sind, wo anwendbar (z. B. Herstellung oder Risikomanagement), zu verwenden. Es werden auch Beispiele für Themen genannt, die durch das QMS abgedeckt werden müssen. An dieser Stelle wird hier der Hinweis gegeben, dass die ISO 15189 allein nicht ausreichen wird, da sie z. B. die Herstellung von IVD nicht berücksichtigt. Dies weist darauf hin, dass noch weitere Normen berücksichtigt werden müssen, wie die ISO 13485 (oder ISO 9001).

5 Zu Art. 5(5) d) Die Gesundheitseinrichtung liefert in ihrer Dokumentation eine Begründung dafür, dass die spezifischen Erfordernisse der Patientenzielgruppe nicht bzw. nicht auf dem angezeigten Leistungsniveau durch ein gleichartiges auf dem Markt befindliches Produkt befriedigt werden können

Diese Anforderung lieferte schon einiges an Zündstoff für Interpretationen und Diskussionen. Die MDCG erklärt ihre Sicht dazu:

"Markt" wird in diesem Kontext als "Markt an CE-markierten Produkten im entsprechenden Mitgliedsstaat" verstanden. Das gleichartige Produkt muss der jeweiligen Gesundheitseinrichtung nach EU-, nationalen und lokalen Regeln und Bestimmungen zur Verfügung stehen. Je nachdem, wo die Gesundheitseinrichtung ihren Sitz hat, kann dies zu unterschiedlichen Verfügbarkeiten ein und desselben gleichartigen, CE-markierten Produktes führen.

"Spezifischen Erfordernisse" können ein spezifisches Produkt sein oder ein spezifiziertes Maß an Leistung für bestimmte Leistungsmerkmale. Folgendes Szenario ist möglich: Ein CE-IVD ist ausschließlich für eine bestimmte Patientengruppe (z. B. Erwachsene) auf dem Markt erhältlich, wenngleich das Labor auch andere (z. B. pädiatrische) Patientengruppen betrachten will, wofür das CE-IVD nicht geeignet ist. Eine fehlende Eignung kann sein, dass z. B. die kritische Analytenkonzentration der zweiten Patientengruppe in einem anderen Bereich liegt. Interessanterweise wird auch die Vermeidung bzw. Reduktion von (insbesondere schmerzhaften) Probenentnahmen als Argument zur Kombination bestimmter Produkte und damit zur Herstellung und Nutzung eines In-house IVD zugelassen.

Eine Definition für "gleichartige (engl. equivalent) Produkte" gibt es in der IVDR nicht. Hier lohnt sich der Blick in die MDR. Gründe für eine Nicht-Gleichartigkeit können technischer, biologischer oder klinischer Natur sein. Darunter fallen z. B. Unterschiede in
  • Zweckbestimmung,
  • klinischem Zustand,
  • Patientengruppen,
  • Anwendungsbedingungen,
  • Funktionsprinzip,
  • Probenmaterial und
  • kritischen Leistungsmerkmalen oder kritischen technischen Merkmalen.
Diese Begründung nach Art. 5(5) d) ist die Voraussetzung bzw. die Daseinsberechtigung für Ihr In-house IVD. Es müssen daher entsprechende Recherchen durchgeführt werden, bevor ein In-house IVD zum ersten Mal hergestellt wird.

Anmerkung: Diese Anforderung wird erst 2028 gültig. Für In-house IVD, die bereits jetzt in Betrieb sind oder noch vor 2028 in Betrieb genommen werden, muss diese Begründung erst ab Mai 2028 vorliegen. Dies gibt Gesundheitseinrichtungen noch ausreichend Zeit, einen entsprechenden Prozess dafür im QMS zu integrieren.

Als Quelle zur Identifizierung von gleichartigen CE-markierten IVD nennt die MDCG die europäische Datenbank für Medizinprodukte (EUDAMED). Darüber hinaus sollen weitere Informationsquellen herangezogen werden, wie z. B. Informationen von Herstellern, Händlern, wissenschaftlichen Konferenzen etc. Wenn das In-house IVD nach der initialen Recherche in Betrieb genommen wird, ist es weiterhin erforderlich, kontinuierlich Information zu sammeln, um die Entwicklungen auf dem Markt zu beobachten und die Begründung für Ihr In-house IVD auf aktuellem Stand zu halten. Sie haben es sicher bereits bemerkt: Hier ist eine durchdachte Recherche-Strategie gefordert (Stichwort QM-Prozesse).

Sollte ein CE-IVD auf den Markt kommen, dass gleichartig zu Ihrem In-house IVD ist und die spezifischen Patientenbedürfnisse mit der erforderlichen Leistung erfüllt, müssen Sie einen Übergangsprozess zur Benutzung des CE-markierten Produktes starten.

FAZIT: Es gibt viele Gründe, warum ein spezifisches Erfordernis einer Patientenzielgruppe nicht erfüllt ist oder warum es kein gleichartiges auf dem Markt befindliches Produkt gibt. Eine gute Recherche und Dokumentation der Fakten ist die Grundlage einer adäquaten Begründung für Ihr In-house IVD.

6 Zu Art. 5(5) e) Die Gesundheitseinrichtung stellt der für sie zuständigen Behörde auf Ersuchen Informationen über die Verwendung der betreffenden Produkte zur Verfügung, die auch eine Begründung für deren Herstellung, Änderung und Verwendung beinhalten

Hierzu gibt die Guidance Beispiele an Dokumenten und Informationen, die von der zuständigen Behörde angefordert werden könnten. Sie verfügen bereits über die meisten dieser Informationen, wenn Sie die Erfüllung der Anforderungen von Anhang I für Ihr In-house Produkt ordentlich umsetzen und dokumentieren.
Dazu zählen:
  • Produktbeschreibung inkl. Zweckbestimmung und bestimmungsgemäßer Gebrauch,
  • Daten über das Design, Herstellungsprozess, Sicherheit und Leistung sowie erwarteter Nutzen,
  • die Begründung, dass kein gleichartiges Produkt existiert,
  • Beschreibung von vorgenommenen Modifikationen des Produktes (Change-Management!),
  • Übersicht über die Zahl der hergestellten Einheiten oder Chargen inkl. Begründung und
  • Daten zur Leistung des Produktes während der Nutzung: Leistungsmerkmale, Vorkommnisse, Beschwerden und Korrekturmaßnahmen, die getroffen wurden.

Je nach nationalen Vorgaben ist die zuständige Behörde zu informieren, wenn ein In-house IVD in Betrieb genommen, modifiziert oder stillgelegt/eingestellt wird.

7 Zu Art. 5(5) f) Die Gesundheitseinrichtung verfasst eine Erklärung, die sie öffentlich zugänglich macht …

Während die Inhalte der geforderten öffentlichen Erklärung in der Anforderung selbst genannt sind, ist bislang unklar, wo bzw. wie diese Erklärung öffentlich gemacht werden soll. Dies kann national unterschiedlich geregelt sein, weshalb auch hier die nationalen Gesetze und Regelungen heranzuziehen sind. In Deutschland sind die Landesbehörden für die Überwachung der Labore verantwortlich. In Annex A der MDCG Guidance finden Sie eine Vorlage, die Sie für Ihre Erklärung nutzen können.

8 Zu Art. 5(5) g) Im Zusammenhang mit Produkten, die gemäß Anhang VIII in die Klasse D eingestuft werden, erstellt die Gesundheitseinrichtung Unterlagen, die ein Verständnis der Herstellungsstätte, des Herstellungsverfahrens, der Auslegung und der Leistungsdaten der Produkte einschließlich ihrer Zweckbestimmung ermöglichen und die hinreichend detailliert sind, damit sich die zuständige Behörde vergewissern kann, dass die grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen gemäß Anhang I dieser Verordnung erfüllt sind. Die Mitgliedstaaten können diese Bestimmung auch auf gemäß Anhang VIII in die Klassen A, B oder C eingestufte Produkte anwenden

Hier werden die Daten und Informationen, die für Klasse D-Produkte notwendig sind, gesondert genannt. Unserer Erfahrung nach haben Sie diese Informationen vorliegen, wenn Sie den Nachweis der Konformität mit Anhang I ordentlich erbringen und dokumentieren. Genauso wie bei den CE-markierten IVD wird die Dokumentation und Nachweiserbringung der In-house IVD der Risikoklasse des Produktes angepasst: Mehr Risiko – mehr Nachweise. Und der Hinweis, dass Sie sich für die Technische Dokumentation an die Struktur von Anhang II der IVDR halten können, ist auf alle Risikoklassen anwendbar. Dies wird Ihnen helfen, eine klare, organisierte, durchsuchbare und eindeutige technische Dokumentation zu erstellen.

9 Zu Art. 5(5) i) Die Gesundheitseinrichtung begutachtet die Erfahrungen, die aus der klinischen Verwendung der Produkte gewonnen wurden, und ergreift alle erforderlichen Korrekturmaßnahmen

Hier geht es um Prozesse, wie klinische und Leistungsdaten gesammelt werden und wie Vorkommnisse und Korrekturmaßnahmen gehandhabt werden. Auch hier sind nationale Bestimmungen zu beachten, wenn Sie Ihr QM-System dahingehend erweitern.

10 Zu Art. 5(5) Satz 3: Dieser Absatz gilt nicht für Produkte, die im industriellen Maßstab hergestellt werden

Die IVDR liefert keine Definition für den Begriff "industrieller Maßstab". Die MDCG erklärt hierzu, dass die Ausnahmeregelung von Art. 5(5) nur für Produkte gilt, die in Gesundheitseinrichtungen produziert werden, um spezifische Bedürfnisse von Patienten zu erfüllen. Daher sollte der Herstellungsprozess eines In-house IVD nicht mehr als die geschätzte Zahl benötigter Produkte liefern.

Abschließende Diskussion

Sind die In-house-Hersteller wirklich von den meisten Anforderungen der IVDR befreit, wie die MDCG behauptet? Wir sehen diese Aussage als kritisch an. Mit der Pflicht zur Erfüllung von Annex I wird schließlich eine vollständige Technische Dokumentation erforderlich, inklusive eines Systems für Post-Market Surveillance (PMS) und Vigilanz. Sie müssen Ihr QMS dementsprechend anpassen und ein Risikomanagementsystem für Ihre Produkte etablieren und leben. Für Ihre Begründung, dass kein gleichartiges CE-markiertes Produkt erhältlich ist, müssen Sie Ihre Recherche permanent aktualisieren, ebenso die Risikoanalyse und Leistungsbewertung für Ihr In-house Produkt.

Was Sie als In-house-Hersteller nicht brauchen, ist eine Prüfung Ihrer Technischen Dokumentation durch eine Benannte Stelle. Ebenso entfallen die Anforderungen zur UDI und EUDAMED für In-house Produkte.

Fazit

Die Aussage "von den meisten Anforderungen der IVDR befreit" ist irreführend. Durch die Umsetzung der Forderung der Erfüllung von Anhang I wird ein großer Dokumentationsaufwand auf die Labore zukommen.

Ob die MDCG wirklich hilfreich für medizinische Fachkräfte und Forscher*innen ist, deren Schwerpunkt/Haupttätigkeit nicht in der Entwicklung und Dokumentation von Produkten und der Umsetzung von regulatorischen Anforderungen liegt, sei dahingestellt. Zumindest bringt sie Licht in einige Definitionen und Formulierungen.

Wenn Sie an einem Überblick über die Anforderungen von Art. 5(5) und der Umsetzung interessiert sind, lesen Sie unsere Beiträge Laboratory Developed Tests (LDT) unter der IVDR: Was ändert sich für medizinische Labore und IVDR: Verschobener Geltungsbeginn der Bedingungen für In-house Produkte.

Sie sind unsicher, was von Ihnen als Hersteller von In-house Produkten verlangt wird? Wir erarbeiten gemeinsam mit Ihnen einen individuellen Fahrplan für die Umsetzung der IVDR und des Artikels 5(5). Wir unterstützen Sie gerne auch bei der Adaption Ihres QMS und der Erstellung der nötigen Prozesse. Mit unserer Hilfe gelingt es Ihnen, die regulatorischen Anforderungen in eine effiziente und unkomplizierte Dokumentation umzusetzen. Wir freuen uns darauf, Sie bei einem kostenlosen Erstgespräch kennenzulernen.

Beste Grüße
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Dr. Sandra Reuter
Dr. Sandra Reuter
IVD Expert
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