Checkliste: So gelingt die Literaturrecherche nach MEDDEV 2.7.1 rev. 4 und MDR

02.05.2023
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Die MDR verpflichtet Hersteller von Medizinprodukten zu einer geplanten, systematischen Literatursuche – zum Beispiel im Rahmen der klinischen Bewertung sowie der Post-Market Surveillance (PMS) und des Post-Market Clinical Follow-up (PMCF). Wie führen Hersteller die Literaturrecherchen MDR-konform durch? Dieser Beitrag gibt praktische Empfehlungen von der Datenbankauswahl bis zu Selektionskriterien – inklusive einiger Insidertipps.

Eine Literaturrecherche nach Verordnung (EU) 2017/745 (MDR) verfolgt zwei Ziele: Daten über das zu bewertende Medizinprodukt zu sammeln und Informationen zu finden, die den Stand der Technik (State of the Art, SOTA) des betrachteten medizinischen Bereichs beschreiben. Somit trägt sie zur Aktualisierung der Nutzen-Risiko-Abwägung bei und liefert eine Grundlage für die Darstellung des State of the Art.

Wie gelingt die MDR-konforme Literatursuche in der Praxis? Wir haben häufige Fragen gesammelt und aus unserer Sicht für Sie beantwortet.

Klinische Bewertung, PMS, PMCF – reicht eine Literatursuche für alle?

Innerhalb der MDR wird die Literatursuche als Tool mehrfach erwähnt für
  • die PMS (Annex III, 1.1),
  • das PMCF (Annex XIV, Teil B, Punkt 6.2) und
  • die Klinische Bewertung (Artikel 61, 3.).
Daher fragen sich viele Hersteller, wie viele Literaturrecherchen sie durchführen müssen. Die MDR bietet dazu keine direkte Antwort. Theoretisch spricht nichts dagegen, eine einzige Literatursuche für mehrere Zwecke durchzuführen. In diesem Fall ist es aber wichtig, dass die Qualität dieser Suche alle regulatorischen Anforderungen erfüllt. Da für die Klinische Bewertung nach wie vor die MEDDEV 2.7/1 rev. 4 als Leitlinie gilt, müssen ihre Vorgaben berücksichtigt werden.

Wichtig zu wissen: Wenn Hersteller nur eine Literatursuche z. B. im Rahmen des PMS oder PMCF durchführen, darf der zeitliche Abstand zwischen dieser Literaturrecherche und der Aktualisierung der Klinischen Bewertung nicht zu groß sein. Für den zulässigen Maximalabstand gibt es bisher keine offizielle Angabe. Nach unserer Erfahrung liegt die obere Grenze bei sechs Monaten.

Checkliste für die Praxis: Suchstrategie nach MEDDEV 2.7/1 rev. 4

Mit Blick auf die praktische Durchführung einer MDR-konformen Literaturrecherche unterstützt diese Checkliste mit Antworten auf häufige Fragen.

1. Die Datenbanken

Es gibt keinen Konsensus hinsichtlich der Anzahl und Art der Datenbanken, die durchsucht werden sollen. Allerdings ist es laut der MEDDEV (siehe Appendix A4) nicht ausreichend, nur in MEDLINE oder PubMed zu suchen. Es soll mindestens eine weitere Datenbank neben PubMed/MEDLINE genutzt werden – zum Beispiel: In diesem Kontext lautet eine der oft gestellten Fragen, ob Google Scholar eine akzeptable Datenbank für eine systematische Suche nach MEDDEV 2.7/1 rev. 4 ist. Google Scholar hat zwar den großen Vorteil, dass die Suche auch zugängliche Volltexte einschließt. Nachteile sind allerdings die nicht einschätzbare Wiederholbarkeit und die unmögliche Nachvollziehbarkeit der Suche. Es ist akzeptabel, Google Scholar als zusätzliche Datenbank in die Suche zu integrieren. Es sollte jedoch zuvor in mindestens zwei der oben genannten Datenbanken gesucht worden sein.

Wichtig zu wissen: Insgesamt müssen mindestens zwei Datenbanken durchsucht werden. Der Umfang der Suche hängt vom Produkt, seiner Risikoklasse und der Dauer seiner Marktverfügbarkeit ab. Wenn Sie mehrere Datenquellen durchsuchen, sind Ihre Chancen höher, dass Sie Informationen über Ihre Produkte finden.

2. Die Suchbegriffe

Nachdem Sie sich für die Datenbanken entschieden haben, geht es im nächsten Schritt darum, geeignete Suchbegriffe festzulegen. Deren Formulierung ist entscheidend für die Qualität und den Umfang der Suche. Sie sollen sowohl die wichtigen Aspekte der klinischen Anwendung des Medizinprodukts als auch die Spezifität der Suche berücksichtigen:
  • Um produktrelevante klinische Daten zu finden, ist es sinnvoll den Marken- und den Herstelllernamen in die Suchbegriffe aufzunehmen.
  • Bei der Suche nach den Informationen über den State of the Art (SOTA) helfen Begriffe
    • aus dem relevanten medizinischen Bereich,
    • der Zweckbestimmung,
    • der Indikationen sowie
    • Termini, die die Produktart, Aspekte der Leistung und Sicherheit des zu bewertenden Medizinprodukts und die Marketingversprechen beschreiben.
  • Darüber hinaus ist es nützlich, nach Marken- und Herstellernamen ähnlicher und gleichartiger Produkte zu suchen.
Allgemeine Suchbegriffe ermöglichen zwar eine umfassende Suche, liefern jedoch oft sehr viele Ergebnisse. Dagegen reduzieren komplizierte und spezifische Ausdrücke die Anzahl der gefundenen Publikationen stark und es besteht das Risiko, dass wichtige Daten unentdeckt bleiben. Eine Lösungsmöglichkeit sind Suchbegriffe, die mithilfe der logischen Verknüpfungen "AND", "OR" und "NOT" konstruiert sind. Sie bieten eine gewisse Flexibilität und helfen, eine ausgewogene Suche zu realisieren.

Wichtig zu wissen: Suchmaschinen in PubMed und anderen wissenschaftlichen Datenbanken prämodifizieren die Suchbegriffe vor dem Suchvorgang. Wird z. B. in PubMed der Begriff "product" eingegeben, verwendet der dahinterliegende Suchalgorithmus verwandte Begriffe und sucht stattdessen nach: ("economics"[MeSH Terms] OR "economics"[All Fields] OR "production"[All Fields] OR "productions"[All Fields] OR "efficiency"[MeSH Terms] OR "efficiency"[All Fields] OR "productivity"[All Fields] OR "product"[All Fields] OR "product s"[All Fields] OR "productive"[All Fields] OR "productively"[All Fields] OR "productivities"[All Fields] OR "products"[All Fields])

Für eine präzise und reproduzierbare Suche sollten die Suchanfragen stets geprüft und die Anleitungen auf der jeweiligen Datenbank-Webseite für deren Erstellung berücksichtigt werden.

3. Selektion versus Appraisal

Schließlich geht es um die Selektion und das Appraisal der Publikationen. Was ist der Unterschied?

Die Selektion
Im ersten Schritt werden die gefundenen Publikationen anhand ihrer Kurzfassung ("abstract") auf Relevanz geprüft. Dazu werden (vorab) festgelegte Selektionskriterien verwendet. Sie enthalten …
  • entweder nur Ausschlusskriterien: Was nicht exkludiert wird, ist inkludiert.
  • oder Ein- und Ausschlusskriterien, die sich aber nicht gegenseitig widersprechen dürfen.
Vorsicht: Einige Benannte Stellen legen viel Wert auf die Logik hinter den Selektionskriterien.

Wichtig zu wissen: Beim Aussortieren von Publikationen soll stets der jeweilige Ausschlussgrund dokumentiert werden. Mit dieser Transparenz erfüllen Sie die Anforderung der MDR, dass sowohl günstige als auch ungünstige Daten in der Klinischen Bewertung berücksichtigt werden müssen (Anhang XIV, Teil A, Punkt 2).

Das Appraisal
Die ausgewählten, relevanten Publikationen müssen laut MEDDEV anhand von (vorab) festgelegten Kriterien (den "appraisal"-Kriterien) bewertet werden. Grundlage des Appraisals ist der jeweilige (zu erwerbende) Volltext der selektierten Veröffentlichungen. Die im Rahmen der Klinischen Bewertung betrachteten Publikationen werden verschiedenen Evidenzstufen zugeordnet – zum Beispiel anhand der Publikationsart, gegebenenfalls des Designs der klinischen Prüfung, der Fallzahlgröße und der Ähnlichkeit des betrachteten mit dem zu bewertenden Medizinprodukt. Diese Einstufung hilft bei der Auswertung der Daten oder Darstellung des State of the Art, insbesondere bei widersprüchlichen Informationen. Wichtige Argumentationen sollten sich auf hochrangig bewertete Publikationen stützen.

Moderne Softwarelösungen können bei vielen der oben beschriebenen Schritte helfen, Zeit zu sparen und die Effizienz zu erhöhen. Dazu stehen eine Vielzahl von Lösungen zur Verfügung: Von umfangreichen Datenbanken mit integrierten statistischen Funktionen und intuitivem Oberflächendesign bis hin zur Einbindung von Künstlicher Intelligenz, die die Anwender*innen bei der Selektion und Bewertung der Publikationen unterstützen soll.

Fazit

Im Rahmen der Klinischen Bewertung, der PMS und des PMCFs sind Hersteller gemäß MDR verpflichtet, eine systematische Literatursuche durchzuführen. Diese Recherchen können unter bestimmten Voraussetzungen gebündelt werden. Eine sinnvolle Suchstrategie nach MEDDEV 2.7/1 rev. 4 erfordert eine sorgfältige Auswahl der Datenbanken und geeigneter Suchbegriffe. Schließlich gilt es, sinnvolle Selektions- und Appraisal-Kriterien für die gefundenen Publikationen festzulegen und zu dokumentieren.

Stehen Sie gerade vor der Herausforderung, im Rahmen der Klinischen Bewertung Ihres neuen Medizinprodukts eine systematische Literaturrecherche durchzuführen? Wir unterstützen Sie gerne bei Ihrem Anliegen. Auch wenn Sie Fragen zu einem anderen komplexen Thema aus dem Bereich Clinical Affairs haben, ist unser Team für Sie da. Gemeinsam mit Ihnen finden unsere Expert*innen die besten Antworten auf Ihre individuelle Fragestellung. Unsere Erstgespräche sind unverbindlich und kostenfrei.

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Marie-Laure Castelain
Marie-Laure Castelain
Medical Device Expert
Clinical Affairs & PMCF
Oleg Repp
Oleg Repp
Medical Device Expert
Clinical Affairs & PMCF
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